Größter politischer Aschermittwoch in Vilshofen

Veröffentlicht am 15.02.2013 in Wahlen

Peer Steinbrück und Christian Ude

"Mia san de bayerischen Sozis - und da samma dahoam. Seit 120 Jahr" begann Christian Ude seine Rede und schoss gleich ein Foto vom prall gefülltem Zelt.

Natürlich durften deftige Sprüche nicht fehlen und so attestierte Christian Ude der CSU, dass sie bei den Studiengebühren, die das Volk abschaffen will, "zu doof zum umfallen seien". In seiner Rede ging Ude auf verschiedene Themen ein, die eine sozialdemokratisch geführte bayerische Staatsregierung anpacken werde: "Wir schaffen die Studiengebühren ab", versprach Ude in Vilshofen, wenn sie nicht schon vorher abgeschafft werden. Den Mieterinnen und Mietern sicherte er zu, dass der "Wohnungsbestand nicht meistbietend verscherbelt werde" und es mehr sozialen Wohnungsbau geben müsse.

"Schwarz- gelbe Gurkenriege"
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück machte deutlich, dass er für eine klare Ansage stehe: "Ich bin sicher: Ihr wollt keinen geölten und keinen öden Politprofi haben. Keinen der Muttis Liebling ist." Im politischen Betrieb brauche es wieder mehr Menschen, die das sagen, was sie denken und das tun, was sie sagen, so Steinbrück. Er nutzte die größte Aschermittwochsveranstaltung in Bayern zu einen Frontalangriff auf Angela Merkel und ihre schwarz- gelbe Koalition. „Die sind nervös, sie wissen, wir können sie packen“, rief der immer wieder von Jubel unterbrochene Kanzlerkandidat mit Blick auf Schwarz- Gelb. Nur wenige Bürger wünschten sich eine Fortsetzung der Koalitionen von Union und FDP – in Steinbrücks Aschermittwochs- Vokabular eine „Gurkenriege“.

Die SPD stelle die Themen Gerechtigkeit, Wirtschaft und Arbeit, soziale Vorsorge, Bildung, Wohnen und Kinderbetreuung in den Mittelpunkt ihres Handelns. Und er spiele auf "Sieg, nicht auf Platz", räumte Peer Steinbrück Gedankenspiele zu einer großen Koalition beiseite.

Auch aus dem Kreis Kelheim war die SPD beim größten politischen Aschermittwoch in Vilshofen dabei.
AMittwoch 2013_SPD Keh

AMittwoch 2013 Keh

AMittwoch 2013 Podium

AMittwoch 2013 Bierzelt
Aufnahme von Christian Ude

Bericht der Passauer Neue Presse

Weitere Zusammenfassung der Reden:
Landeschef Florian Pronold begrüßte die Mitglieder des größten politischen Stammtisches der Welt. Peer Steinbrück witzelte später noch, ein paar Kilometer die Donau hinunter versammle sich eine
"kleine radikale Minderheit". Pronold nahm vor allem den CSU-Chef aufs Korn. Er schoß sich auf Bayerns Ministerpräsidenten Horst Seehofer ein - und sammelt Attribute für den CSU-Politiker. Seehofer ändere ständig seine Meinung bei Themen wie Energiewende, Nichtraucherschutz, Europapolitik, Mindestlohn, Donauausbau und Studiengebühren. Er drehe sich wie ein " Fähnchen im Wind", sei ein "Wendehals", "ein hundertprozentiger Opportunist", ein "Drehhofer".
Für Bayerns SPD-Chef Florian Pronold war Edmund Stoiber ein Wiedergänger, weil der wieder in Passau auftrat. Die CSU marschiere „in Transrapidgeschwindigkeit Richtung Vergangenheit“. Florian Pronold frotzelte über den „Ramsauer-Starschnitt im Verkehrsministerium“,
die CSU schaffe es ja gerne, den anderen Parteien Vorlagen für Spott zu liefern - etwa Horst Seehofers Bemerkungen vor einigen Wochen über "Zar Peter" oder die "Schmutzeleien" des bayerischen Finanzministers Markus Söder. Die bayerische SPD hatte diese Bemerkungen nun dankbar am Aschermittwoch wieder aufgenommen. Parteichef Florian Pronold wetterte: Seehofer habe seine Leute als unfähig und charakterlos bezeichnet.
"Warum hat er sie dann alle berufen?" Schließlich kündigte Landeschef Florian Pronold gleich an: "Beim nächsten Aschermittwoch werden wir ein noch größeres Zelt aufstellen, denn die beiden Hauptredner werden der bayerische Ministerpräsident Christian Ude und Bundeskanzler Peer Steinbrück sein."

Ude beschwört die Stärke der SPD in Bayern

Nur wenige Sekunden stand Christian Ude am Rednerpult und schon johlte die Menge. "Bayern in Höchstform" stand auf dem Pult, hinter dem Christian Ude sich aufbaute und seine Rede hielt. Bereits heute regiere die SPD von Aschaffenburg bis Zirndorf in vielen Kommunen des Freistaats. "Es ist Zeit, das endlich auch auf die Landesebene zu übertragen", sagte er. Denn bei allen Stärken und Vorzügen sei Bayern kein Land im Gleichgewicht. Es gebe Boomstädte, die aus den Nähten platzen, und strukturschwache Gebiete, die ausgedünnt werden. "Das kann man doch nicht tatenlos hinnehmen", erklärte Ude. Ebenfalls nicht hinnehmen will er, "dass in keinem anderen Bundesland die Bildungschancen von Kindern derart stark vom Geldbeutel der Eltern abhängen wie in Bayern". Für einen Wahlsieg versprach er deshalb den Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagsschule und ein Programm gegen das Schulsterben im ländlichen Raum.
Die Botschaft der Sozialdemokraten: Die Zeit ist reif dafür. Wir können's besser als Schwarz-Gelb, wir stehen für Solidität und soziale Gerechtigkeit statt für Klientelpolitik. Den Genossen gelang ihr Auftritt:
Als Erstes machte Christian Ude von der Bühne aus gleich einmal ein Foto "von diesem wunderbaren Anblick", wie er sagte. Das volle große Zelt ist die eigentliche Aschermittwochs- Botschaft der SPD.
In Vilshofen war für die Sozialdemokraten die Gelegenheit, ihre Alternative zu präsentieren: "Das christliche Menschenbild, die christliche Soziallehre und die christliche Religion der Nächstenliebe", die erkenne man nicht an Parteinamen, sondern an den Zuständen im Land. "Wir wollen auch in der Praxis die christliche Soziallehre und die Praxis der Nächstenliebe ernst nehmen." Die Folgen dieser Ankündigung
legte Ude umfassend aus: "Solidarität mit den Schwächsten im Land, Solidarität zwischen Stadt und Land, Solidarität der Regionen des Landes untereinander." Als Hauptziele einer SPD-geführten Landesregierung definierte Ude den sozialen Ausgleich, "Recht und Ordnung" auf dem Arbeitsmarkt sowie die Bekämpfung des Ungleichgewichts zwischen Boom-Städten und strukturschwachen Gebieten.
Christian Ude, warf der CSU klägliches Scheitern vor - in erster Linie beim Thema Infrastruktur. Den verbalen Säbel packte der Landtags-Spitzenkandidat indes nur selten aus, seine Waffe ist ja eh das kabarettistisch gefärbte Florett. Erst nach der Hälfte seiner rund 40-minütigen Rede nahm er den Namen Seehofer erstmals in den Mund und dies auch nur für eine fiktive CSU-Sitzung. Um die vermeintlich ständigen Kurswechsel der CSU zu dokumentieren, gabt der Münchner Oberbürgermeister eine kleine Kabaretteinlage. Dabei spielte er nach, wie ein zunehmend verzweifelter Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber seinen Parteifreunden Themen für den Aschermittwoch vorschlägt. Die von ihm
eingeführten Studiengebühren? Nein, da ist die CSU mittlerweile dagegen. Die lange verteidigte Atomkraft oder der erhoffte Donauausbau? Dagegen. Der von ihm ausgehandelte Länderfinanzausgleich? Absolut dagegen. Den Sozialdemokraten rief Ude deshalb zu: "Wir können es wirklich besser!" Sieben Monate vor der Wahl gelang es Ude, Kampfgeist zu vermitteln.

Christian Ude hielt der CSU vor, dass sie für ihren Politischen Aschermittwoch in Passau keine guten Themen habe. Ironisch bemerkte er: "Mein ganzes Mitgefühl gilt den einfachen Soldaten der CSU, die im Schützengraben ballern und noch gar nicht mitbekommen haben, dass die Oberste Heeresleitung schon wieder den Kurs gewechselt hat." Ude warf der CSU Verfassungsbruch vor - beim "Verscherbeln" der staatlichen GBW-Wohnungen ebenso wie bei der Verweigerung staatlicher Mindestlöhne, "die in der bayerischen Verfassung ausdrücklich vorgesehen sind". Leitbild der CSU "ist offensichtlich, aus Bayern ein flächendeckendes Ellenbogenhausen" zu machen. Die SPD stehe dagegen "für Recht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt".
"Die bayerische Verfassung sieht ausdrücklich gesetzliche Mindestlöhne vor", sagte Ude. „Wir sind Verfassungspatrioten“, erinnerte Ude, „es war ein Sozialdemokrat, der 1918 den Freistaat ausrief. Grundzüge sozialdemokratischer Politik stehen in der bayerischen Verfassung: gesetzlicher Mindestlohn und erschwinglicher Wohnraum“. "Und wir werden dafür sorgen, dass das umgesetzt wird. Beim Mindestlohn darf es nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben. Auch den Widerstand gegen den Abbau sozialer Rechte müssen wir endlich in Angriff nehmen, etwa die Flucht in Werkverträge. Das sind Missstände, die jungen Familien jede Planungssicherheit nehmen."
„Ob eine Politik christlich ist, erkennt man nicht an der Nähe zwischen Thron und Altar, sondern daran, wie eine Gesellschaft mit den Schwächsten umgeht.“ Das Leitbild der CSU sei ein „flächendeckendes Ellenbogenhausen“, wetterte Ude und forderte mehr Gemeinsinn. Die Menge jubelte. "Ude, Ude, Ude", schallte es im Festzelt.
„Ich stimme zu, dass die Wirtschaftsdaten in Bayern sehr gut sind und dass die Menschen ihre bayerische Heimat lieben. Aber es ist nicht erkennbar, dass die Schönheit der Natur und die Wirtschaftslage der Staatsregierung zu verdanken sein sollen. Die Natur ist ein Himmelsgeschenk und die Wirtschaftslage das Ergebnis einer fleißigen Bevölkerung. Dass die Regierung hingegen nicht mehr handlungsfähig ist, sagt sie a selbst jeden Tag - es ist nur noch von der Überwindung der Koalitionskrise die Rede.
Zukunftsprojekte stehen nicht mehr auf der Tagesordnung. Die Menschen sind nicht unzufrieden mit dem Leben in Bayern, aber sie sind unzufrieden mit dem Niveau der Regierungsarbeit, sie haben die Nase voll von schwarz-gelber Klientelpolitik. Und sie können sich sehr gut vorstellen, dass es in Bayern sozialer, gerechter, ökologischer und demokratischer zugeht. Und zum anderen habe das Dreierbündnis aus SPD, Freien Wählern und Grünen einen vollen und spektakulären Erfolg bei den Studiengebühren errungen, ein Herzstück der CSU-Politik, das jahrelang erbittert verteidigt worden war. Das habe die CSU nicht nur in eine Ratlosigkeit gestürzt, sondern in eine Regierungskrise.
„Die CSU zittert wie Espenlaub im Abendwind." Auf die Nummer mit dem "Drehofer" ist Ude stolz, womit Seehofers Kehrtwendenverulkt werden sollen: Ob beim Atom, beim Donauausbau oder bei den Studiengebühren: "Diese Regierung ist vollauf beschäftigt, die Spuren ihres Regierungshandelns zu beseitigen." Das war ein echter Kracher. Das Volk jubelte. In Bayern hat die SPD inzwischen einen besonders schönen Angriffspunkt entdeckt: Seehofer und seine Wendemanöver vom Atomausstieg bis zu den Studiengebühren. Fein säuberlich dokumentiert hat die SPD das mit Seehofer- Zitaten auf der Website „Drehhofer.de“.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt schäumt seit Tagen und wirftder SPD einen „Schmutzwahlkampf“ vor. In der SPD wird dieses christsoziale Wutschnauben erfreut als klares Indiz gewertet, dass die Drehhofer- Kampagne ein Volltreffer ist. Die CSU sei nur noch damit beschäftigt, „die Spuren des eigenen Regierungshandelns zu verwischen“, spottet Ude über die jüngsten Bekenntnisse der Seehofer-CSU zu Mindestlohn und gegen Studiengebühren.
"Drehhofer -Bayerns drehfreudigstem Wetterhahn", was Seehofer ungewohnt humorlos als eine Art Majestätsbeleidigung auffasst. Von einer Schmutzkampagne der SPD spricht er zur Freude der Sozialdemokraten. Und provoziert damit doch nur, dass die umso genüsslicher darauf herumreiten, wie oft der CSU-Chef schon Meinung und Linie gewechselt habe.
Die CSU zeigt sich beleidigt über die SPD-Internetseite "Drehhofer.de", die sich über die politischen Wendemanöver von Ministerpräsident Horst Seehofer lustig macht. Dass auch die CSU sich im Negativ- Campaining versteht, zeigten allerdings die Sprüche, mit denen die Regie die Passauer Halle dekoriert hat. Über Christian Ude: "Mykonos findet er, Aschaffenburg nicht." Über den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück: "Redest du noch oder kassierst du schon?" "So viel Werbung für uns hätten wir uns gar nicht erwartet", stichelte ein SPD-Sprecher. Seehofer werde keine falsche Tatsachenbehauptung auf "Drehhofer.de" finden, behauptete Pronold. Und der Name sei bei Seehofer längst Programm.
Doch Ude wandte sich auch an die Parteibasis im Saal, forderte sie zur Mitarbeit im Wahlkampf auf.
"Es reicht nicht, hier zu jubeln", mahnte er. Man müsse um die letzten Zehntel kämpfen, die am Ende für eine Regierungsmehrheit gebraucht würden. Als Motivator hatte er in Vilshofen das Seine getan.
Ude sprach 49 Minuten lang, klare Sätze, er war laut und griff an, er sorgte für Lacher, etwa als er der CSU wegen ihres Umgangs mit den Studiengebühren bescheinigte, sie sei sogar "zu doof zum Umfallen".
Immer wieder brandete Beifall auf, die Menschen schwenkten ihre roten runden Schilder, auf denen der Schriftzug "Genau! Ude" prangte. Für Kanzlerkandidat Peer Steinbrück stand fest: Ude habe sich durch seine Rede qualifiziert als "zukünftiger Ministerpräsident des Freistaates".

„Peeeer! Peeeer! Peeeer!“
"Die CSU feiert in Passau ein letztes Franz-Josef-Strauß-Hochamt", sagte er. "Ich hab' gehört, der Strauß hat früher zwei bis drei Stunden beim Aschermittwoch geredet." Kunstpause. "Das kann ich auch." Und: "Was in Baden-Württemberg geklappt hat, muss auch in Bayern klappen. Nämlich ein Regierungswechsel mit Christian Ude und der SPD." Seine Kernthese: Schwarz-Gelb sei am Ende - in Bayern wie in Berlin. Deshalb gehe es im September um alles: "Ich setze auf Sieg. Mit anderen Szenarien beschäftige ich mich nicht." Die Halle tobte. Damit hat der "norddeutsche
Fischkopf" (Steinbrück über Steinbrück) den Saal für sich gewonnen. Und die Basis gelegt für eine dann doch gut einstündige Rede, in der er den wetterwendischen Horst Seehofer als "größte lose Kanone" auf dem politischen Deck und "größten Wendehals seit der Wiedervereinigung" nennt. Er zählte die Unionspolitiker auf, die in den vergangenen Monaten das Handtuch geworfen haben: von Guttenberg bis Schavan, von Wulff bis McAllister. Die Liste sei lang, mit jedem Namen wurde das Hallo im Zelt lauter. Steinbrück schloß: "In Babelsberg wird bald der Film ,Angela allein zuhaus' gedreht." Als eine Bedienung ein Bier auf die Bühne bringen wollte, lehnte der Kandidat ab. "Ich schmeiß das nur um." Tatsächlich echauffierte sich Steinbrück, gestikulierte viel. Er polterte und schimpfte. Er rammte ein paar inhaltliche Pflöcke ein. Natürlich feuerte auch er eine Breitseite gegen Seehofer ab. Das Frauenbild der CSU stamme aus den 50er und 60er Jahren, das von ihr durchgesetzte Betreuungsgeld sei "vollständig idiotisch", polterte der Kanzlerkandidat.
Kein gutes Haar liess Steinbrück auch an den Plänen von Sozialministerin Ursula von der Leyen: "Die Lebensleistungsrente ist ein Zynismus." "Europa ist fantastisch", schwärmte Steinbrück in Vilshofen. "Und dann fangen wir hier an, mit Cents zu rechnen." Trotz schlechter Erfahrungen hätten sich die europäischen Nachbarn über die deutsche Wiedervereinigung gefreut. "Deshalb haben diese Länder jetzt auch unsere Solidarität verdient." Steinbrück redete sich in Rage - auch über CSU-Generalsekretär Dobrindt, der ihm mangelnden Patriotismus vorgeworfen hat: "Der soll erst mal nach Griechenland fahren und mit den Leuten reden", zeterte Steinbrück. Und: "Wir dürfen dieses Europa keinen Neidhammeln und Rechenschiebern überlassen."
Nach diesem Exkurs in die Europapolitik zog Steinbrück die Zügel wieder an. Das Weltbild von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) liege "irgendwo zwischen Kohl-Postern und Barbie-Puppenhaus". Die habe "nichts zustande gebracht außer dieses vollständig idiotische Betreuungsgeld". Das passe "in die Zeit von Peter Frankenfeld", und mit Blick in den Juso-Block: "Den kennt ihr nicht, oder?" Das Betreuungsgeld werde "das Gesetz mit der kürzesten Halbwertszeit" sagte Steinbrück: "Wenn ich Kanzler bin". Daran glaubt er, und allen Zweiflern schickte er hinterher: "Wir zielen nicht auf die große Koalition." Auch eine mangelnde Wechselstimmung sprach er an. "Deutschland steht da wie Alice im Wunderland. Die SPD hat unter Rot-Grün die Grundlagen dafür geschaffen!" Er donnerte es ins Zelt. Steinbrück durfte im Vilshofener Zelt endlich der Kandidat sein, der er sein will, unverstellt, selbstironisch, knorrig.
Steinbrück schimpfte über eine "Koalition von Phrasendreschern in Berlin, mit sehr vielen Etiketten auf leeren Flaschen." "Die meisten Menschen in Deutschland haben diese schwarz-gelbe Regierung satt," sagte Peer Steinbrück. "Diese Regierung ist so beliebt wie Blinddarmentzüdung und Wurzelbehandlung auf einmal." Besonders deutlich sei das seit der Niederlage in Niedersachern. "Seitdem spüren wir die groß-koalitionären Anwandlungen der Union." Aber da sei die SPD nicht mit im Spiel. "Denn bei Großen Koalitionen ist der Scheidungsanwalt immer von Anfang an dabei", sagte Steinbrück. "Wir wollen die Regierung stellen mit den Grünen zusammen. Das ist das Ziel."
Auch seine eigene Partei schonte er nicht. Die Rentenbezugsdauern etwa seien gestiegen, und "die SPD wird sich dieser Thematik stellen". "Und ich bitte um Verständnis, wenn dabei Lösungen herauskommen, die auf den ersten Blick nicht alle begeistern", rief Steinbrück den im Zelt versammelten Genossinnen zu. "Vorher waren auch wir beteiligt an einer sehr leichtfüßigen Verteilungspolitik. Das geht nicht mehr." Die Besucher mit den roten Fahnen nahmen es ihrem Kanzlerkandidaten nicht krumm. Der Applaus war prächtig. Selbstironisch streifte er seinen Pannenstart als Merkel-Herausforderer. "Manche sagen: Kanzler kann er, aber als Kandidat hat er noch Luft nach oben. Da sage ich: Besser so als andersrum." Steinbrück lobte Christian Udes "norddeutsche Geradlinigkeit" und attestierte sich selbst eine "süddeutsche Ausdrucksfähigkeit, die bei manchen in den falschen Hals kommt". Er werde künftig genauer darauf achten, was er sage. Aber: "Ich werde mich nicht verbiegen. Ich werde mich nicht glatt schleifen lassen. Ich bin mir sicher, ihr wollt keinen öligen oder geölten Kanzlerkandidaten haben", rief er. Nein, das wollten die "lieben Genossinnen und Genossen" offenbar nicht.
Am Ende gab’s "Peer- Steinbrück"-Sprechchöre. Im Schweinsgalopp pflügte Steinbrück durch die Polit-Themen. Steinbrück lieferte eine kämpferische Rede ab. Wenn die SPD regiere, werde sich viel verändern in Deutschland. Er versprach den gesetzlichen Mindestlohn und forderte: "Frauen müssen endlich genauso bezahlt werden wie Männer!" Er verteidigte den Sozialstaat, weil dieser das Land zusammenhalte. Das Echo ist ein einziger Beifallssturm. Er präsentierte die SPD als Partei der Macher. "Wir sagen, was ist und tun dann was nötig ist – auch wenn es manchmal schmerzhaft ist." Als Beispiel nannte er die Rente. "Manchmal kommen dabei auch Lösungen heraus, die nicht gleich Begeisterung hervorrufen. Im Gegensatz zu allen anderen Partein haben wir aber ein Rentenkonzept." Sein Konzept: Mehr Zuwanderung und mehr erwerbstätige Frauen. Steinbrück setze sich für strenge Bankenregulierung ein. "Die Menschen haben doch den Eindruck, dass etwas aus dem Lot geraten ist." Die Banken würden gar keine Verantwortung mehr für ihr Handeln übernehmen. "In den Banken hat sich der Eindruck festgesetzt, dass Risiko und Haftung nicht zusammengehören." „Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.
Ein merkwürdiges Verständnis von sozial“, fuhr Steinbrück fort. Für seinen Vorschlag, Investmentbanking und Spareinlagen in der Finanzwelt zu trennen, habe er so lange herbe Kritik geerntet, bis ihn sich Finanzminister Wolfgang Schäuble zu eigen machte. „Die Regierung hechelt uns hinterher“, stellte er die Konzepte der SPD heraus. „Fairness statt Ellenbogen“, griff Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Worte seines Vorredners auf, „bedeutet auch, die Spaltung in der Arbeitswelt aufzuhalten.“ 20 bis 25 Prozent der Erwerbstätigen seien prekär beschäftigt. „Dass immer mehr mit Hartz IV aufstocken müssen, zahlt ihr“, rief Steinbrück. Rund 10 Milliarden koste das den Steuerzahler jährlich. Gleichzeitig gingen aber die Geburtenzahlen zurück. Sein Rezept: Die Zuwanderung und Integration ausländischer Mitbürger besser organisieren und die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern - durch gleiche Löhne und Ausbau der Kinderbetreuung.
Dass frühkindliche Betreuung nicht nur bei Migrantenkindern Sprachdefizite ausgleichen könne, veranschaulichte er mit einem Gesprächsfetzen,mitgehört zwischen einer Mutter und ihrer vierjährigen Tochter: „Jacqueline, mach_dem_Mäh_mal_ei.“ Bei solchen Sprachdefiziten sei es vorprogrammiert, dass die Tochter als Bildungsverliererin enden werde, so Steinbrück. Was Steinbrück ausdrücklich nicht versprach, sind Steuersenkungen. Im Gegenteil, unter seiner Regierung sollen der Spitzensteuersatz erhöht sowie Kapitaleinkünfte und private Vermögen besteuert werden.
Das zusätzliche Geld will Steinbrück unter anderem in Bildung und Infrastruktur investieren und den finanziell notleidenden Kommunen zukommen lassen. Regieren will er mit den Grünen. Denn die große Koalition vermisst der ehemalige Bundesfinanzminister angeblich nicht: Kanzlerin Angela Merkel sei damals nur so gut gewesen, wie die Sozialdemokraten Minister im Kabinett gestellt hätten. Es gibt aber auch nachdenkliche Momente, beispielsweise wenn er über die deutsche Medienlandschaft sprach. Auch bei der Rente bediente der Kandidat nicht jene linken Urinstinkte, wie Parteichef Sigmar Gabriel an gleicher Stelle ein Jahr zuvor. Das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern werde sich bald dramatisch ändern. "Ich bitte um Verständnis, wenn dann auch Lösungen herauskommen, von denen der ein oder andere nicht begeistert ist." Zwei bis drei Stunden, wie er zunächst gescherzt hat, hat die Rede von Peer Steinbrück nicht gedauert. Aber immerhin hat er doch etwas mehr als eine Stunde gesprochen.
Zum Schluss nahm er sich noch einmal die Regierung in Berlin vor. "Dort regiert ein Kabinett des Versagens und obendrauf noch Profilneurotiker wie Dobrindt und Seehofer. Damit muss Schluss sein, wir brauchen Solidität." Steinbrück lästerte, dass die CSU niemanden mehr von Format habe. Er erinnerte, wie „klein die Söder-Dobrindt- Seehofer-CSU“ geworden sei mit „großer Klappe und nichts dahinter“.Die SPD dagegen sehr wohl: Christian Ude. An die Bayern-SPD appelliert er, sie solle sich nicht kirre machen lassen von den Umfragen. „Drei bis vier Prozent. Mehr sind es nicht“, zitierte Steinbrück den Vorsprung der CDU/CSU in Umfragen. Denen zufolge würden sogar ein Viertel der CSU-Wähler darüber nachdenken, SPD zu wählen, meinte Pronold. „Die kriegen wir auch noch zur SPD“, so Gerlinde Kraus im Publikum.
Die Menge jubelt: "Ude, Ude, Ude." "Die sind nervös", nahm Peer Steinbrück die schwarz-gelbe Bundesregierung weiter ins Visier. "Die haben zwölf Landtagswahlen hintereinander verloren und wissen, wir können sie packen. Und wir werden sie mit eurer Unterstützung packen!", rief er zum Abschluss. Stehender Applaus und Rufe "Peer für Deutschland!" sind der Lohn für den 70-minütigen Parforce-Ritt des Kanzlerkandidaten. Fahnen flogen, Jubel toste am Ende, und mindestens eine Wählerin hat Steinbrück gewonnen: "Ich fand ihn überraschend gut", sagte Jennifer Edle von Rueddorfer. Sie lernt PTA, ist erst 17: "Aber im Herbst kann ich ihn wählen." Ein neues Mitglied konnte die Forchheimer SPD vorweisen: Paul Wichtermann, Schüler in Forchheim, gab auf der Rückfahrt von Vilshofen seine Beitrittserklärung ab.

Weitere Stimmen:

Martin Auer aus Schierling ist schon ein Weilchen dabei. Auf seinem Trachtenjanker prangte ein kleiner roter Anstecker mit der Aufschrift "Sturmerprobt seit 1863". Na gut, so lange kämpft selbst Auer noch nicht bei den Roten. Doch er hat schon so manche Schlacht geschlagen. Christian Ude kennt er seit seiner Juso-Zeit, 1993 half er ihm im OB-Wahlkampf gegen Peter Gauweiler. Später leitete Auer den parteiinternen Betriebsrat. Und jetzt? Jetzt erkennt er seine Partei kaum wieder. "Ich habe schon immer gesagt, dass die bayerische SPD mutiger sein muss." Er schaut auf die 5000 Genossen. "Aber so ein Zelt - das hätten wir uns früher nicht getraut." Die Genoss_innen von der SPÖ aus Wien hatte sogar das Vergnügen, sich mit Stargast Peer Steinbrück das Hotel zu teilen. Schon am Vorabend an der Rezeption wurden erste Erinnerungsfotos geschossen. Am nächsten Morgen kann man dann wieder dieses Phänomen namens Bayern- SPD begutachten: Wie schon im Vorjahr berauschen sich die Genossen an sich selbst. Das Zelt ist vorne und hinten noch ein wenig länger als letztes Mal, die Laune noch ein wenig besser. Zu guter Letzt überreichte Niederbayerns SPD-Bezirkschef Christian Flisek ein Geschenk aus der Region: eine aus Hauzenberger Granit geformte Stein-Brücke. "Das ist die Brücke ins Kanzleramt", sagte Flisek. Und weil es sein muss, ein Blick zur CSU:

Bayerntümelnd bis zum Exzess
Der Feind steht links: Bissiger als im Vorjahr greift die CSU in Passau die SPD an. Tenor: Wir sind Bayern, die anderen sind keine Patrioten. Allen voran stürzt sich Edmund Stoiber schwitzend in die Schlacht. Mit aller Kraft beschwören sie in der CSU heute eine Formel, die bei der Wahl 2008 plötzlich nicht mehr auf aufgegangen ist: Bayern=CSU. Deshalb wohl auch Stoibers Aussage: Die Zusammenlegung der Wahltermine zur Bundes- und Landtagswahl wären "unbayerisch"! Ein Stoiber, der frontal die politischen Gegner angeht, da leuchten die Augen und glühen die Ohren der 4000 Hundertprozentigen in der Dreiländerhalle. Aschermittwoch ist nichts für Feingeister, sondern ein Fall für grobe Attacken.
"De großen Lumpen muss ma schwerer aufs Hirn hauen als de kleinen", sagt einer, der es wissen muss, Franz Josef Strauß. Die CSU will an alte Zeiten anknüpfen. Der frühere bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß muss an diesem Tag posthum eine wichtige Rolle spielen. Ein Film wird eingespielt, Bayern von oben, und da sieht man dann die ganze bajuwarische Pracht: schneebedeckte Berge, die Zugspitze, Kirchtürme, Schlösser und Seen, die Allianz-Arena und zwischendrin frühere und gegenwärtige CSU-Größen. Franz Josef Strauß, im Anzug beim Radfahren. "Bayern ist das schönste Land der Welt", hört man ihn sagen. Dann Stoiber, schwitzend und sich verausgabend bei einer früheren Rede beim politischen Aschermittwoch. Der 71-jährige Edmund Stoiber war CSU-Chef, Bayern-Regent, Kanzlerkandidat als er 2002 gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder verlor – lag bei vielem daneben und hatte 2007 einen schmachvoller Abgang.
2013 – wie 2012 - gilt sein Auftritt als einer der Höhepunkte des politischen Aschermittwochs in Passau. Stoiber, der in Passau wirkte, als sei er der Nachfolger Seehofers und nicht umgekehrt, sagte zum Abschluss seiner Ansprache: "Vielleicht ist das hier meine letzte Rede in Passau." Seehofer überlässt dieses Rampenlicht gern dem Vorgänger. Er hatte bisher wenig Glück mit Aschermittwochen, war mal erkältet, mal dem Schwächeanfall nah und mal aus unglücklichem Zufall Staatsoberhaupt, hielt also selten eine wirkliche Kracher- Rede. Zwischen Kreuth und dem Fasching erwischt ihn jedes Jahr – seit Jahrzehnten - eine Erkältung. Seehofer zeigt mal wieder, dass ihm Stammtischreden überhaupt nicht liegen. Er kämpft eine Stunde - mit sich. Die Stimme ist fast weg, die Puste auch. Am Ende lässt sich Seehofer auf das Niveau seines Generalsekretärs Alexander Dobrindt herab. Er beschimpft Claudia Roth als "Trauerweide" und giftet: "Ich warte nur darauf, dass sie uns unser bayerisches Schnitzel verbieten." Der Bayern-Regent schlägt um sich. "Niemand kann uns aufhalten“, brüllt er noch. Wirklich niemand?

Und die anderen?

Das Beste von Jürgen Trittin: "Wenn crazy Horst auf friendly fire schaltet, dann ist der Kollateralschaden eingetreten." "Wir versuchen alle, vor allem nach Aschermittwoch, unseren inneren Schweinehund zu überwinden. Die FDP macht ihn zum Spitzenkandidaten." Martin Zeil, Spitzenkandidat des bayerischen Koalitionspartners FDP, den Alleinvertretungsanspruch der CSU: "Bayern ist zu schön, um es wieder allein den Schwarzen zu überlassen." und 'Müder Applaus für Brüderle in Dingolfing'

 

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